15 Mai 2008

Biographie

Hier folgt jetzt eine Kurzbiographie Georg Kühlewinds geschrieben von Felix Hau veröffentlicht in Info3 2/2006 S. 8

Georg Kühlewind
(Felix Hau in info3 2/06 S. 8)

Georg Kühlewind wurde am 6. März 1924 in Budapest geboren und wuchs dort in einem säkularen jüdischen Elternhaus auf. Er machte sich in der anthroposophischen Szene vor allem durch seine selbstentwickelte Aufmerksamkeitsschulung einen Namen. In mehreren Büchern und unzähligen Vorträgen und Seminaren bemühte er sich um die Vermittlung einer Erkenntnis, auf die er, siebzehnjährig, zunächst durch Befassung mit der Psychoanalyse gestoßen war: Die Probleme des Einzelnen sowie auch diejenigen der Gesellschaft entpuppten sich für ihn primär als Bewusstseinsprobleme. Seine Begegnung mit dem Kulturwissenschaftler Kerenyi, für den, in Kühlewinds Worten „ die Mythologie der Griechen eine Realität wie für uns das Wetter“ gewesen ist, führte ihn weiter zu einer Erforschung des Bewusstseins und geistiger Phänomene; die Autonomie und Würde des menschlichen Individuums hatte dabei immer Priorität.
1944 wurde Georg Kühlewind zunächst zum Arbeitszwangsdienst verpflichtet und anschließend in mehrere deutsche Lager deportiert, darunter das KZ Buchenwald. Aus dem letzten Arbeitslager bei Halberstadt wurde er am 9. April 1945 von den Amerikanern befreit.
Der Anthroposophie begegnete Kühlewind erstmals 1942. Durchaus angetan von Steiners Ausführungen, las er später ein Buch nach dem anderen, bemerkte aber bald, dass ihn das nicht weiterführte. Inspiriert durch einen Traum nahm er sich erneut die „Philosophie der Freiheit“ vor und entdecke das lebendige Denken als den Dreh- und Angelpunkt in Steiners Weltanschauung, der nun auch für ihn selbst wegweisend wurde: „Der Prozess ist entscheidend und nicht das fertig Gedachte“, formulierte er später einmal die damalige fundamentale Einsicht.
In den letzten Jahren beschäftigte sich Georg Kühlewind vor allem mit dem Phänomen so genannter ADS-Kinder. Die als „Aufmerksamkeits-Defizit-Syndrom“ diagnostizierte Auffälligkeit wurde seiner Ansicht nach oftmals zu schnell als Erkrankung abgetan und medikamentös behandelt. Er stellte seine These dagegen, nach der viele dieser Kinder mit einer besonderen geistig-seelischen Anlage auf die Welt kämen, von ihrer Umwelt nicht verstanden würden und aufgrund der resultierenden Anpassungsschwierigkeiten Symptome entwickelten. Therapeutisch setzte er auf ein Verständnisbemühen und die liebevolle Anerkenntnis des Besonderen, das diese Kinder verkörpern. Sein Buch „Sternenkinder“ wurde auch über die anthroposophischen Szenegrenzen hinaus bekannt und hier wie dort leidenschaftlich-kontrovers diskutiert.
Am Morgen des 15. Januar 2006 erlag Georg Kühlewind in seinem 82. Lebensjahr in einem Budapester Krankenhaus einem Herzinfarkt. Er hatte sich dort einer Krebsbehandlung unterziehen wollen.